Wenn Sie ein neues E-Auto fahren wollen, brauchen Sie derzeit Geduld: 12 Monate Wartezeit können lang werden. Wer aufgrund eines auslaufenden Leasings ein kurzfristig verfügbares Elektroauto sucht, sieht sich deshalb auf dem Gebrauchtmarkt für Elektroautos um. Was es beim E-Auto gebraucht kaufen zu berücksichtigen gilt? umschalten.de beantwortet die häufigsten Fragen.
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Für die Einschätzung des Markts für gebrauchte E-Autos haben wir auf die Expertise zweier Marktkenner zurückgegriffen. Unsere Gesprächspartner sind Thomas Kubin, zuständig für den Fachbereich Technik beim ADAC Sachsen und Ronny Blochwitz, langjähriger Marktbeobachter und Gründer von e-autos.de.
Wie sieht der Gebrauchtwagenmarkt für Elektroautos derzeit aus?
„Neufahrzeuge sind momentan nur mit sehr langen Lieferzeiten zu bekommen“, weiß auch Thomas Kubin vom ADAC Sachsen. Das erhöht die Nachfrage nach gebrauchten Elektroautos zwar, das Angebot ist jedoch eher gering. Ronny Blochwitz verdeutlicht das anhand eigener Zahlen: „Aktuell haben wir auf e-autos.de 2.000 gebrauchte Elektroautos verfügbar. Zum Vergleich: Auf unserem Partner autos.de sind es über 70.000 gebrauchte Verbrenner. Der E-Gebrauchtwagenmarkt steht noch immer ganz am Anfang.“
Entsprechend hoch sind die Preise, die auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelt werden. Das sorgt für ein vergleichsweise hohes Preisniveau auf dem Gebrauchtmarkt für E-Fahrzeuge, oftmals deutlich über dem rechnerisch ermittelten Fahrzeugwert. Gut für Wiederverkäufer – etwas teurer für die Käufer eines E-Autos. Für die schnelle Verfügbarkeit eines guten „Gebrauchten“ müssen Sie also etwas tiefer in die Tasche greifen. Das wird aber nicht so bleiben, wie unsere Experten nachfolgend im Artikel erklären.
Worauf sollten Sie beim E-Auto gebraucht kaufen achten?
Das teuerste Teil eines Elektroautos ist bekanntermaßen der Akku, der ein Drittel bis zur Hälfte des Fahrzeugwerts ausmachen kann. Beim E-Auto gebraucht kaufen sollten Sie also insbesondere dessen Zustand prüfen – im Fachsprech heißt das „State of Health“ und wird SOH abgekürzt.
Eine fachlich fundierte Prüfung kann meistens direkt bei der Markenwerkstatt erfolgen oder alternativ bei externen Anbietern wie DEKRA, TÜV oder GTÜ. Ronny Blochwitz von e-autos.de empfiehlt ein Angebot aus Österreich: AVILOO verleiht für 99,00 Euro ein Testgerät, dass jede*r selbst anschließen kann. „Der Dongle wird in den OBD2-Steckeranschluss gesteckt und anschließend eine Testfahrt gemacht. Via App wird auf dem Smartphone dann der Zustand der Batterie in Prozent angegeben“, erklärt der Webunternehmer.
Wichtiger noch als der Gesundheitszustand ist die verbleibende Herstellergarantie für den Antriebsakku. Häufig liegt diese bei fünf oder sogar acht Jahren. „Wenn bei einem zweijährigen Gebrauchten der Akkuzustand also bereits unter 70 Prozent gefallen ist, lohnt es sich, den auf Garantie kostenfrei gegen einen neuen tauschen zu lassen“, rät der E-Automarkt-Kenner Blochwitz. Wenn Sie nicht privat kaufen, übernimmt das in der Regel der Händler.
Der ADAC Sachsen empfiehlt zudem einen genauen Blick auf Reifen und Bremsen. „Aufgrund des hohen Anfahr-Drehmoments eines E-Autos kann es hier zu überdurchschnittlichem Verschleiß kommen“, erklärt Technikexperte Kubin. Das gelte natürlich besonders bei Stromern, die eher sportlich gefahren würden, wie bspw. Tesla, Polestar oder andere Premiummarken.
Elektroauto gebraucht kaufen: Förderung ja oder nein?
Die BAFA-Prämie wurde bei gebrauchten E-Autos häufig schon beim Neukauf in Anspruch genommen – und mehr als einmal ist leider nicht genehmigungsfähig. In der Regel wird der Rabatt beim Wiederverkaufswert dann abgezogen. Ein Rechenbeispiel: Bei einem neuen E-Auto für einen Listenpreis von 45.000 Euro wird der Kaufpreis durch die BAFA-Prämie auf 36.000 Euro gesenkt. Wenn das Fahrzeug nach zwei Jahren als „Gebrauchter“ weiterverkauft wird, wird der Verkaufspreis unter den 36.000 Euro und nicht darüber liegen.
Nutzen können Sie die BAFA-Prämie übrigens bei „jungen Gebrauchten“, also Tageszulassungen und Vorführwagen. Wenn Ihr Traumfahrzeug also weniger als 12 Monate zugelassen war und weniger als 15.000 Kilometer gefahren ist, können Sie noch einmal dank BAFA richtig sparen.
Sind gebrauchte Elektroautos günstiger?
Hier kommt es auf den Vergleich an und welchen Preis bzw. welche Kosten Sie betrachten.
Gebrauchte E-Autos werden derzeit oft über dem rechnerisch bestimmten Restwert angeboten. Das ist gut für den Verkäufer, weil so der Wertverlust seines Fahrzeugs geringer ausfällt. Für den Käufer bedeutet das aber, dass er beim Kaufpreis vergleichsweise etwas mehr bezahlt und gegenüber dem Neupreis nicht ganz so viel spart. Grund ist die hohe Nachfrage nach E-Autos, die derzeit nicht bedient werden kann.
Vergleichen wir jedoch die Anschaffung und das Halten eines gebrauchten Verbrenners mit einem gebrauchten E-Auto gewinnt der „Stromer“. Hier profitiert der Fahrzeughalter davon, aktuell keine Kfz-Steuern bezahlen zu müssen. Zudem fallen weniger und günstigere Reparaturen an. Häufig werden kostengünstigere Versicherungen angeboten. „Ein laufender Kostenfaktor nach dem Kauf kann die Batteriemiete sein“, ergänze Ronny Blochwitz. Fragen Sie also unbedingt Ihren Händler, ob die Batterie mit dem gebrauchten E-Auto gekauft wird oder ob deren Mietkosten übernommen werden müssen.
„Die Energiesicherheit und die Bezahlbarkeit von Strom sind heute und in Zukunft entscheidende Faktoren für den Kauf von gebrauchten wie auch neuen E-Autos“, gibt Thomas Kubin vom ADAC Sachsen zu bedenken. Auch wenn der Strompreis derzeit nicht im gleichen Maß gestiegen ist wie der für Diesel oder Benzin, ist das ein nur schwer absehbarer Kostenfaktor. Historisch betrachtet gibt es allerdings besonders im Vergleich zum Benzinpreis keinen Grund zur Sorge, wie wir in unserem Artikel zur Strompreisentwicklung herausgefunden haben.
Noch vielen unbekannt ist ein weiterer Sparfaktor für E-Autofahrer. Denn das mit einem Stromer eingesparte CO2 können Sie als Zertifikat verkaufen. Grund ist die Treibhausgasminderungsquote (kurz: THG-Quote), die insbesondere Mineralölkonzerne erfüllen müssen. Um Strafzahlungen zu vermeiden, kaufen diese CO2-Zertifikate ein. Seit Januar 2022 können sich auch Privatpersonen an diesem Geschäft beteiligen und über Online-Anbieter ihre Einsparung verkaufen. Pro Fahrzeug und Jahr können das zwischen 250 und 400 Euro werden, die E-Auto-Besitzer ohne Aufwand dazu verdienen.
So funktioniert der CO2-Zertifikatverkauf:
1.
Kopie des Fahrzeugscheins einreichen
2.
Anbieter Zertifikate bündeln und weiterverkaufen lassen
3.
Jährlich Auszahlung beantragen und bis zu 400 Euro erhalten
Wertverlust Elektroauto: So hoch ist er wirklich!
Aufgrund der hohen Nachfrage ist der Gebrauchtwagenmarkt derzeit günstig für Verkäufer: Der Wertverlust fällt niedrig aus, da gebrauchte E-Autos häufig über dem rechnerisch ermittelten Restpreis verkauft werden können. Wenn in den kommenden Monaten mehr Fahrzeuge aus den Leasings von 2019 und 2020 auf den Gebrauchtwagenmarkt kommen, kann sich das jedoch ändern. Da der Marktanteil von Elektroautos in den letzten Jahren massiv angestiegen ist, kann man durchaus damit rechnen, dass auch der E-Auto Gebrauchtmarkt mit einer Verzögerung für Dienstwagen, Jahreswagen und sonstige Leasingverträge deutlich wachsen und damit nachziehen wird.
Thomas Kubin vom ADAC Sachsen sieht aktuell aber auch Risiken im Hinblick auf den Wertverlust bei E-Autos. „Auf Grund des schnellen technologischen Fortschritts und stetig neuen E-Auto-Modellen, wirken gebrauchte E-Autos schnell als veraltet. Wer möchte schon ein E-Auto mit drei Jahre alter Technik, kürzeren Reichweiten und langer Ladezeit?“, gibt der 54-Jährige zu bedenken. Im Kleinwagensegment gibt Experte Ronny Blochwitz aber Entwarnung: Wer einen günstigen City-Flitzer sucht, könne vermutlich mit weniger Reichweite leben und hat die Zeit für einen längeren Ladevorgang. Auch wird der technische Fortschritt vermutlich nicht immer gleich schnell voranschreiten. In jedem Fall ist es empfehlenswert, sich über die aktuellen technologischen Entwicklungen auf dem E-Auto-Markt zu informieren. So können Sie sicher sein, keinen technologischen Quantensprung zu verpassen, profitieren aber trotzdem im Falle längerfristig gleichbleibenden technologischen Standards von günstigen E-Auto Gebrauchtwagen.
Das wichtigste Wertkriterium ist über alle Fahrzeugklassen hinweg der Antriebsakku. Wenn hier die Leistung stimmt und die Herstellergarantie noch nicht abgelaufen ist, wird sich auch der Wertverlust in Grenzen halten. Auch die geringeren Instandhaltungskosten stabilisieren den Wert des Fahrzeugs: E-Autos verfügen über insgesamt weniger Teile und müssen deshalb seltener repariert werden. Auch sind die Ersatzteile insgesamt günstiger – abgesehen vom Antriebsakku natürlich. Ausnahme sind hier zwar mitunter Reifen und Bremsen, das hängt jedoch eher mit der Fahrweise zusammen. Insgesamt zeigen sich bei E-Autos stabilere Wiederverkaufspreise, auch weil der Käufer mit niedrigeren laufenden Kosten rechnen kann.
Wie entwickelt sich der Markt für Elektro-Gebrauchtwagen in der Zukunft?
Beide Experten sind sich einig: Der Gebrauchtwagenmarkt wird in naher Zukunft ein breiteres und vielfältigeres Angebot aufweisen. „Die Angebote werden zunehmen, da nun auch Leasingverträge von E-Autos auslaufen und so manche E-Auto-Fahrer sich bereits das zweite E-Auto zulegen“, schätzt der ADAC-Experte Kubin. „Bereits in den nächsten Monaten werden geleaste Fahrzeuge aus den Unternehmensflotten auf den Markt gespült“, erwartet Ronny Blochwitz von e-autos.de. Bei derzeit 1 Mio. zugelassenen Elektroautos in Deutschland und einem wachsenden Neuwagenmarkt von rund 25 Prozent pro Quartal sei die Richtung klar erkennbar.
Ob das Preisniveau in Zukunft jedoch eher hoch oder niedrig sein wird, können selbst die Experten aus heutiger Sicht schwer beurteilen. Hierbei spielen die in Zukunft sinkende Förderung des Neukaufs eine Rolle, die Lieferprobleme bei Neufahrzeugen und generell steigende Preise.
Fazit: E-Auto gebraucht kaufen? Kein Problem, wenn Sie wissen, worauf Sie achten sollten.
Unsere Recherche zeigt: Die langen Wartezeiten beim Neukauf machen den Gebrauchtwagenmarkt für E-Autos attraktiver. Wer zeitnah ein Elektroauto fahren möchte, fährt am besten gebraucht. Als Fahrer eines gebrauchten E-Autos sparen Sie bei den laufenden Kosten wie Steuern, Reparaturen oder Versicherung. Hinzu kommen die Einnahmen durch den möglichen Verkauf von CO2-Zertifikaten. Das gleicht den aktuell hohen Anschaffungspreis für E-Autos teilweise aus.
PRO
- Schnell verfügbares E-Auto
- Niedriger Wertverlust (abhängig vom Antriebsakku)
- Akkugarantie schützt Käufer
- Laufende Kosten sparen gegenüber Verbrenner
CONTRA
- Aktuell hohe Preise
- Derzeit geringe Modellauswahl
Neben Faktoren wie Reichweite und Ladegeschwindigkeit sollten Sie beim E-Auto gebraucht kaufen besonders auf den Zustand des Antriebsakkus achten. Markenwerkstätten und Prüfer von TÜV oder DEKRA bieten hier verlässliche Ergebnisse. Neuartige Angebote wie AVILOO machen den Akku-Test auch individuell und zu einem fairen Preis möglich.