Obwohl die Anzahl öffentlicher Ladepunkte enorm zugenommen hat und bereits über 90.000 Ladepunkte in Deutschland öffentlich zugänglich sind (Stand Mai 2023), sind die Wege bis zur nächsten Ladesäule für viele Mieter und Eigentümer von Mehrfamilienhäusern oft noch weit. Insbesondere für diese war bisher die Installation von Ladestationen, z.B. in der Tiefgarage, fast unmöglich. Doch jetzt können Mieter und Eigentümer aufatmen. Das Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz/WEMoG) trat Ende 2020 in Kraft.
Wohnungseigentümer, und durch Änderungen und Anpassungen im Mietrecht auch Mieter, können nun die Genehmigung zur Installation von Ladevorrichtungen verlangen! Neben den Neuerungen erklären wir Ihnen, wie Eigentümer und Mieter am besten vorgehen, um ihren Anspruch geltend zu machen und um eine Ladestation möglichst kostengünstig zu installieren.
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Inhaltsverzeichnis
1. Durch Gesetzesreform Anspruch auf Einbau einer Ladestation
Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG trat am 1.12.2020 in Kraft und sieht zahlreiche Neuerungen vor:
Grundlegend haben Wohnungseigentümer und Mieter jetzt Anspruch auf den Einbau einer Lademöglichkeit für E-Autos, sofern die Kosten durch den*die Begünstigte selbst getragen werden.
Insbesondere in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) dürfen Ihre Miteigentümer jedoch immer noch mitreden, wie die Durchführung erfolgen soll. Weitere Änderungen sind darüber hinaus u.a., dass Abstimmungen in einer Gemeinschaft von Wohnungseigentümern jetzt auch per Videokonferenz und mit digitaler Beschlussfassung möglich sind. Neuerungen am Eigentum, die nachhaltig Kosten einsparen und Wohnungen und Häuser in einen zeitgemäßen Zustand versetzen, können zudem jetzt einfacher beschlossen werden, auch gegen den Widerstand Einzelner.
2. Berücksichtigung von Elektromobilität im Neubau und bei Renovierungen
Auch in puncto Neubau und größeren Renovierungen muss das Thema Elektromobilität mittlerweile beachtet werden.
Dafür wurde das Gebäude-Elektromobilitäts-Infrastruktur-Gesetz (GEIG) am 11.02.2021 im Bundestag beschlossen. Mit diesem werden Eigentümer unter anderem verpflichtet, bei Neubau oder einer größeren Renovierung von Wohngebäuden mit mehr als 5 (bei Neubau) bzw. 10 Stellplätzen (bei Renovierungen) die nötige Leitungsinfrastruktur für Ladeeinrichtungen mit vorzubereiten. Bei Wohngebäuden bedeutet das konkret, dass in diesen Fällen jeder Stellplatz z.B. mit Leerrohren oder Kabelpritschen zur Verlegung von Strom- und Datenkabeln vorbereitet werden muss. So soll später eine einfachere und kostengünstigere Installation von Ladepunkten ermöglicht werden. Seit März 2021 ist das Gesetz bereits in Kraft.
Die Begriffe werden so definiert:
- Eine „größere Renovierung“ liegt vor, wenn die Arbeiten mehr als 25 Prozent der Oberfläche der Gebäudehülle einschließen.
- Die o.g. „Leitungsinfrastruktur“ umfasst alle Leitungsführungen, die geeignet sind, Strom- und Datenkabel vom erforderlichen Zählerplatz bis zum Stellplatz aufzunehmen. Dies können beispielsweise Leerrohre, Kabelschutzrohre oder –pritschen sein.
Es gelten jedoch auch Ausnahmen: Wenn die Kosten für Lade- und Leitungsinfrastrukturen 7 Prozent der geplanten Renovierung überschreiten, gelten die Vorgaben des GEIG nicht.
3. So sollten Wohnungseigentümer und Mieter am Besten vorgehen
3.1 Suchen Sie sich Mitstreitende
3.2 Eine gemeinsame Lösung finden
Die erste Frage, die Sie sich an diesem Punkt stellen müssen, ist „Wie soll die Ladeeinrichtung installiert werden?“. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten: Entweder werden Ladepunkte über den Wohnungszähler, separate externe Zähler oder einen Gemeinschafts-Zähler angeschlossen.3.2.1 Installation über Wohnungszähler
Eine Installation von bis zu drei einphasigen Stromkreisen mit max. 16A Absicherung ist je Zähler im sogenannten anlageseitigen Anschlussraum möglich. Davon ist ein Stromkreis auch für Ladeeinrichtungen nutzbar. Hierüber können jedoch maximal Wallboxen mit 3,7 kW angeschlossen werden und in jedem Fall ist eine individuelle Abstimmung mit einem Elektrofachbetrieb notwendig. Alternativ kann ein zusätzlicher Stromkreisverteiler nach dem Wohnungszähler installiert werden. Über einen solchen separaten Kleinverteiler je Zähler, können auch Wallboxen über 3,7 kW abgesichert werden. Voraussetzung für dieses Vorgehen ist, dass ausreichend Platz für die Installation zusätzlicher Verteiler vorhanden und eine individuelle Prüfung und Abstimmung mit einem Elektrofachbetrieb erfolgt ist. Bei der Installation über den Wohnungszähler gibt es allerdings einige Nachteile. Ein Hauptproblem ist, dass der Hausanschluss in der Regel nicht für den zusätzlichen Leistungsbedarf von Elektrofahrzeugen ausgelegt ist. Das heißt, dass der betroffene Anschluss ertüchtigt und zusätzlich mit einem Lastmanagementsystem abgesichert werden muss, um die Einhaltung der beschränkten verfügbaren Leistung zu garantieren. Problematisch ist außerdem, wenn nicht genügend Platz für mehrere Unterverteiler vorhanden ist und so die Lösung nicht für alle im Haus umsetzbar ist. Grundsätzlich ist die Installation von Ladetechnik über den Wohnungszähler nicht vorgesehen und erfordert daher meist auch Anpassungen am Zählerplatz, beispielsweise die Nachrüstung von Überspannungsschutz und Leitungsschutzschaltern. Zuletzt ist beim Laden über den Wohnungszähler keine Abgrenzung des Ladestroms möglich, was insbesondere für Dienstwagenfahrer, die zuhause über den Arbeitgeber laden möchten, nachteilig ist.3.2.2 Anschluss von Wallboxen über separate Zähler
Bei diesem Ansatz wird ein zusätzlicher Zählerplatz, unabhängig vom Wohnungszähler, für jeden geplanten Ladepunkt vorgesehen. Dafür muss in erster Linie genügend Platz vorhanden sein und Sie müssen die Anzahl erwarteter E-Mobilisten gut abschätzen können. Bei kleineren Hausgemeinschaften mit bis zu 10 Parteien und insbesondere auch im Außenbereich, kann diese Lösung sinnvoll sein. Die Versorgung der separaten Zählerplätze kann über einen bestehenden Hausanschluss, der ertüchtigt wird, oder einen neuen Netzanschluss erfolgen. Letzteres eignet sich besonders für die Erschließung von Außenstellplätzen, da dann keine Kabel aus dem Bestandsobjekt nach draußen geführt werden müssen. Ein klarer Vorteil eines separaten Zählers für die Versorgung von Ladeinfrastruktur ist, dass Sie sich einen günstigen Autostrom-Tarif mit reduzierten Netzentgelten beispielsweise bei SachsenEnergie zum Laden des E-Fahrzeugs sichern können.3.2.3 Installation über einen Summenzähler für Elektromobilität
Zuletzt besteht die Möglichkeit, über einen gemeinsamen Summenzähler alle Ladepunkte mit Strom zu versorgen. Das hat den Vorteil, dass deutlich weniger Platz erforderlich ist und, dass die Anzahl der anzuschließenden Wallboxen unbegrenzt ist. Diese Lösung ist daher insbesondere für größere Hausgemeinschaften mit vielen Tiefgaragenstellplätzen empfehlenswert. Für den Betrieb der gemeinsamen Anlage inkl. Strombelieferung, Lastmanagement und Abrechnung der Ladestromes an den Wallboxen ist ein Anlagenbetreiber notwendig. Eine komplette Lösung nach diesem Modell bietet SachsenEnergie in Ihrem Versorgungsgebiet an.3.2.4 Passende Ladestation fürs Mehrfamilienhaus
Eine Frage muss im Mehrfamilienhaus unbedingt in der Gemeinschaft diskutiert und anschließend festgelegt werden: Welche Ladetechnik soll verbaut werden?
Aktuell besteht das Problem, dass Wallboxen verschiedener Hersteller aufgrund unterschiedlicher herstellereigener Lastmanagementsysteme oft nicht miteinander kompatibel sind. Um die Kosten für die Ertüchtigung der Leistung zum Laden der Elektrofahrzeuge möglichst gering zu halten, ist der Einsatz eines Lastmanagementsystem ab zwei oder drei Ladepunkten dringend empfohlen. An vielen Stellen schreibt der zuständige Netzbetreiber den Einsatz von Lastmanagement daher sogar vor.
Aus diesem Grund ist klar: Eine in ein gemeinsames Lastmanagementsystem einbindbare, kommunikative Ladetechnik sollte für eine zukunftssichere Ausstattung eines Objekts schon beim ersten Interessenten festgelegt werden.
Wir empfehlen Ladetechnik:
- mit 11 kW je Ladepunkt,
- die lastmanagementfähig und kommunikativ ist und
- eines definierten Typs und Herstellers
3.2.5 Wie viel Ladeleistung ist notwendig?
Im Austausch mit Ihrer Hausgemeinschaft sollten Sie abschätzen, mit wie vielen E-Mobilisten in den nächsten Jahren zu rechnen ist, um eine ausreichende Ertüchtigung des Netzanschlusses (alternativ einen separaten Anschluss für Elektromobilität) beim Netzbetreiber anzufragen. Um hohe Mehrkosten zu vermeiden, sollten Sie, unter der Voraussetzung des Einsatzes eines Lastmanagementsystems, durchschnittlich 2 kW je Stellplatz, beantragen. Ihr Ladeverhalten mit einem E-Fahrzeug wird sich stark von Ihrem bisherigen „Tankverhalten“ unterscheiden: Anstelle das E-Auto leerzufahren und erst dann eine Tankstelle aufzusuchen, werden Sie nach Hause kommen, Ihr Fahrzeug täglich an die Ladeeinrichtung anschließen und die am Tag verbrauchten Kilowattstunden direkt wieder aufladen. Am besten erklären wir es mit einem Beispiel. Im Durchschnitt werden in Deutschland 15.000 km pro Jahr mit dem PKW zurückgelegt. Das entspricht einer Fahrleistung von ca. 40 km pro Tag. Der durchschnittliche Verbrauch eines E-Fahrzeuges kann mit 20 kWh/100km angenommen werden. In einem Beispielobjekt mit 10 Stellplätzen und mit 10 E-Mobilisten, die unterschiedlich lange Strecken pro Tag zurücklegenWürde sich die verfügbare Leistung von 20 kW (=2kW je E-Stellplatz), idealisiert dargestellt, über den Verlauf der Nacht wie folgt auf die ladenden E-Fahrzeuge aufteilen:
Die Leistung wird beim „Nachhause kommen“ der E-Fahrer im ersten Schritt noch auf alle gleichermaßen aufgeteilt und es stehen 2 kW zum Laden der Fahrzeuge zur Verfügung. Im Verlauf der Nacht werden die Fahrzeuge jedoch zunehmend vollgeladen und es steht mehr Leistung zum Laden der verbleibenden Fahrzeuge zur Verfügung. Am Ende der Nacht sollten die Akkus aller Fahrzeuge in der Regel wieder aufgeladen sein.
3.3 Antrag stellen
Konnten Sie ein gemeinsames
- Konzept
- die Ladetechnik
- sowie die benötigte Ladeleistung
in Abstimmung mit Ihren Mitstreitern definieren, ist es nun an der Zeit, einen Antrag für den Eigentümer / die WEG-Versammlung vorzubereiten.
Reichen Sie Ihren Antrag für die nächste Eigentümerversammlung unbedingt ein, damit er fristgerecht gestellt werden und auf die Tagesordnung kommen kann. Da die Versammlung meistens nur einmal pro Jahr stattfindet, nehmen Sie das Vorhaben zeitnah in Angriff.
Bitte bedenken Sie, dass eventuelle Kostenangebote von Elektrobetrieben oder Ihrem Netzbetreiber Zeit kosten und daher einigen Vorlauf benötigen, sofern Sie bereits Zahlen und Angebote zur Entscheidungsfindung präsentieren möchten. Planen Sie für die Angebotserstellung mind. 3-6 Monate Zeit ein.
3.5 Installieren
Bitte bedenken Sie, dass spätestens vor der Installation der Ladetechnik der Netzbetreiber informiert werden muss. Die Kontaktaufnahme sollte jedoch in den meisten Fällen schon früher, bei der Beantragung der zusätzlichen Leistung zum Laden von Elektrofahrzeugen, geschehen sein.
Falls nicht, kommen Sie spätestens jetzt nicht darum herum, denn die Installation von Ladetechnik größer 11 kW je Hausanschluss (also spätestens ab dem zweiten Bewohner, der eine 11 kW Wallbox installieren möchte) ist sogar eine Genehmigung des Netzbetreibers einzuholen. Das wird im Normalfall vom beauftragten Elektrofachbetrieb übernommen.
3.6 Laden
Ist die Installation erfolgt, können Sie endlich auch in Ihrem Mehrfamilienhaus Ihr E-Fahrzeug laden.
Wie die Abrechnung des Ladestromes erfolgt, hängt von der gewählten und mit den Eigentümern bzw. Hausverwaltung abgestimmten Variante ab.
Alles im Überblick
- Mitstreitende suchen
- Legen Sie sich gemeinsam auf eine Ladelösung fest
- Stellen Sie den Antrag
- Warten Sie den Beschluss ab, um Sicherheit zu gewährleisten
- Installation der gewünschten Ladelösungen
- Bequem von zu Hause aus laden