Die Bundesregierung verfolgt ambitionierte Ziele: Bis 2030 sollen die Treibhausgas-Emissionen im Straßenverkehr um 48 Prozent sinken. Eine der größten Herausforderungen sieht Berlin dabei in der Verteilung und Leistungsfähigkeit des Ladenetzes in Deutschland. Nun hat die Ampel-Koalition ihren Fahrplan zur Verbesserung der Ladeinfrastruktur vorgestellt: In unserem neuen Blogbeitrag erfahren Sie, was Sie über den „Masterplan Ladeinfrastruktur II“ und die darin enthaltenen 68 Maßnahmen wissen sollten – und wie Sie in Zukunft davon profitieren könnten.
Inhaltsverzeichnis
Was verbirgt sich hinter dem „Masterplan Ladeinfrastruktur II“?
Die Elektrifizierung des Straßenverkehrs schreitet voran: Bis Oktober 2022 wurden rund 15 % mehr Elektroautos zugelassen als im Vorjahreszeitraum. Am 1. September 2022 gab es in Deutschland 68.275 Ladepunkte, Ende 2021 waren es rund 51.000 – über ein Drittel mehr Lademöglichkeiten in nur acht Monaten. Aber: Von dem ambitionierten Ziel der Bundesregierung, bis 2030 eine Millionen Ladepunkte in Deutschland bereitstellen zu können, sind wir noch weit entfernt. Und auch wenn die Zuwachsrate hoch scheint: Sie ist aktuell noch viel zu niedrig, um die Vorstellung der Ampelkoalition zu verwirklichen.
Um die Geschwindigkeit zu erhöhen, verabschiedete das Kabinett im Oktober den Masterplan Ladeinfrastruktur II. Dieser bündelt alle Maßnahmen und Aktivitäten des Bundes, um den Ausbau von Ladeinfrastruktur in Deutschland voranzutreiben und konkretisiert den ersten Masterplan Ladeinfrastruktur der Vorgängerregierung.
Prognostizierte und tatsächliche Entwicklung der Ladepunkte in Deutschland von 2021 bis 2030
Wieso braucht es jetzt einen zweiten Masterplan?
Der Masterplan Infrastruktur II ist laut Bundesregierung kein neuer Plan, sondern eine Überarbeitung des ersten von 2019. Im Koalitionsvertrag (Seite 41) haben sich SPD, BÜNDNIS‘90/DIE GRÜNEN und FDP darauf verständigt, „den Masterplan Ladeinfrastruktur zügig zu überarbeiten und darin notwendige Maßnahmen aus den Bereichen Bau, Energie und Verkehr zu bündeln sowie einen Schwerpunkt auf kommunale Vernetzung der Lösungen zu legen.“
Dabei entstanden sind 68 Maßnahmen, die sich an ganz unterschiedliche Ebenen richten: Verwaltung und Politik aus Bund, Länder und Kommunen sowie Netzbetreiber werden ebenso angesprochen wie die Automobil- und Energiewirtschaft bis hin zum Investor, Unternehmer und Vermieter. Die Maßnahmen beschreiben, was die Bundesregierung genauer prüfen will, inwiefern sie die Akteure beteiligen und was sie gerne umsetzen würde.
Die Bundesregierung möchte mit dem Masterplan den Aufbau und Betrieb von Ladepunkten einfacher, bequemer und schneller machen. Ladeinfrastruktur soll als Geschäftsmodell attraktiver werden, zugleich jedoch auch der Bund stärker in die Pflicht genommen werden. Wer in dem Dokument jedoch bereits konkrete Förderprogramme sucht, wird enttäuscht.
Welche Themen werden im Masterplan II behandelt?
Der Masterplan Ladeinfrastruktur II versucht, möglichst viele Bereiche des Ladeinfrastrukturaufbaus zu adressieren. Besondere Schwerpunkte setzt der Masterplan bei den folgenden Themen:
- Nutzerfreundlichkeit durch Digitalisierung
- Ladeinfrastruktur an Gebäuden
- E-Nutzfahrzeuge
- Bidirektionales Laden
- Regulatorische Hindernisse abschaffen
Nutzerfreundlichkeit durch Digitalisierung
Der Masterplan sieht nicht nur viele neue Ladepunkte vor, sondern auch, dass diese auffindbar und leicht zu nutzen sind. Den Schlüssel dazu bietet die Digitalisierung, mit deren Hilfe die Bezahlvorgänge sicher gestaltet, Reservierungsmöglichkeiten möglichst simpel und Barrierefreiheit und Datenschutz gewährleistet werden sollen.
„Jeder soll rechtzeitig erfahren, was das Laden kostet und ob die Ladesäule frei ist. Dazu werden künftig Echtzeitdaten zu Belegstatus oder Preisen zur Verfügung stehen. Laden wird so einfach und selbstverständlich wie Tanken – vielleicht sogar noch komfortabler.“
Dr. Volker Wissing, Bundesverkehrsminister
Ladeinfrastruktur an Gebäuden
Ein wichtiges Schlüsselthema, dass im Masterplan adressiert wird, stellt aus Sicht von umschalten.de das Laden an Gebäuden dar. Durch eine weitere Optimierung der gesetzlichen Grundlagen und die Unterstützung des Aufbaus von Ladeinfrastruktur im Bereich von Mehrfamilienhäusern, kann auch die Nutzergruppe der Mieter künftig verstärkt zum Umstieg auf eine nachhaltige Mobilität motiviert werden. Übrigens: In unserem Artikel zum Laden in Mehrfamilienhäusern bekommen Sie als Mieter und Eigentümer die wichtigsten Infos zum rechtlichen Status Quo.
E-Nutzfahrzeuge
Für Unternehmen mit E-Autos im Fuhrpark sind interessante Punkte aufgeführt. Einen Schwerpunkt bilden die Maßnahmen 59 bis 68 zu den E-Nutzfahrzeugen und E-LKW. Ein Ladenetz speziell für schwere Nutzfahrzeuge soll bis Q1/2023 konzipiert und in Q3/2023 erstmals in Teilen ausgeschrieben werden.
Bidirektionales Laden
Spannend sind auch die angedachten Maßnahmen rund um das bidirektionale Laden. Insbesondere Unternehmen, die auch eine Solaranlage auf dem Dach oder dem Gelände haben, bietet diese Technologie Chancen. Auch wollen die Koalitionäre prüfen, ob eine Förderung von Hausanschlüssen für bidirektionales Laden notwendig sein könnte. Die Abgabe von Ladestrom an Dritte soll vereinfacht werden, bspw. indem überprüft wird, ob solche Leistungen in Zukunft umsatzsteuerbefreit sein könnten.
Regulatorische Hindernisse abschaffen
Die Ampelregierung will Planungs- und Genehmigungsprozesse beschleunigen und regulatorische Hindernisse abbauen. So sollen bspw. erforderliche Nebenanlagen verfahrensfrei gestellt werden (Maßnahme 50). Das Sharing von Ladeinfrastruktur soll u.a. durch die Überarbeitung der Umsatzsteuerregularien vereinfacht werden. Genehmigungsprozesse an Autobahnen sollen vereinheitlicht und der Treibhausgas-Quotenhandel weiterentwickelt werden. Für Mieter und Eigentümer ist zudem besonders interessant, dass das Antragsverfahren für Netzanschlüsse beschleunigt werden soll.
Was steht im Masterplan Ladeinfrastruktur zu Fördermöglichkeiten?
Auch wenn noch keine konkreten Förderprogramme beschrieben werden, lassen sich aus dem Masterplan Förderschwerpunkte für die nächsten Jahre ableiten:
- Konzept zur Förderung öffentlicher und nicht öffentlicher Ladeinfrastrukturen (bis Q1/2023)
- Prüfung der Möglichkeit des Einbezugs eigenerzeugten Stromes (bis Q1/2023)
- Entwicklung von Konzepten für urbane Räume und Nutzer*innen ohne eigenen Stellplatz (bis Q2/2023)
- Konzepte für Schnellladeinfrastruktur über das Deutschlandnetz hinaus (ab 2023)
- Ausschreibung von PKW-Ladepunkten an Rastanlagen der Autobahn durch Autobahn GmbH (ab 2023)
- Konzept und Ausschreibung eines E-Ladenetzes für E-Nutzfahrzeuge (Q3/2023)
Wie können E-Autofahrer in Zukunft vom Masterplan Ladeinfrastruktur II profitieren?
Alle E-Autofahrer können von der Digitaloffensive im Masterplan Ladeinfrastruktur profitieren. Hier stehen insbesondere Maßnahmen im Fokus, um:
- Ladevorgänge nutzerfreundlicher zu machen, z.B. durch automatische Authentifizierung und Bezahlung
- die Barrierefreiheit von Ladeinfrastruktur zu verbessern,
- Roaming zu erleichtern und
- die Reservierbarkeit von Ladepunkten diskriminierungsfrei zu gestalten.
E-Autofahrer profitieren natürlich auch insgesamt von einer dichten und zuverlässigen Ladeinfrastruktur. Zentral ist dafür selbstverständlich der beschleunigte Aufbau von Ladepunkten im öffentlichen Raum, aber bspw. auch beim Arbeitgeber, um sicherzustellen, dass viele Fahrzeuge gleichzeitig laden können. Dabei können auch vermeintlich kleine Maßnahmen helfen wie die geplante vereinheitlichte Beschilderung für Elektrofahrzeuge und das konsequente Vorgehen gegen Falschparkende an Ladesäulen (Maßnahme 49).
Welche Kritikpunkte gibt es am Masterplan Ladeinfrastruktur II?
Verbände und Akteure am Markt kritisieren den Masterplan Ladeinfrastruktur II. So äußerte sich beispielsweise der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der Interessenverband der Strom- und Energiebranche in Deutschland, enttäuscht:
Foto: Thomas Imo/photothek.net
„Der Masterplan Ladeinfrastruktur verpasst nach einem dreiviertel Jahr Arbeit mit seinen 68 Einzelmaßnahmen die Chance, gezielt die Bremsklötze zu beseitigen, die schon viel zu lange auf Seiten der öffentlichen Hand den schnelleren Ladesäulenausbau erschweren.“
Kerstin Andrae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung
Quelle: bdew.de
Der BDEW wünscht sich vor allem schnellere Genehmigungen und weniger Bürokratie bei den Förderungen und erkennt im Masterplan mehr staatliche Planung und Steuerung. Der BDEW sieht jedoch die Privatwirtschaft als geeigneten Motor für einen bedarfsgenauen und schnellen Aufbau der Ladeinfrastruktur.
Der Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU), der beispielsweise auch viele kommunale Stadtwerke in Deutschland vertritt, äußert sich verhaltener. Bemängelt wird vor allem das Fehlen von Verbindlichkeit, sehr viele Maßnahmen sprächen zunächst über „Prüfung“. Die Ausgestaltung der Umsetzung der einzelnen Maßnahmen sei noch offen. Der VKU wünscht sich nun, dass Bundesregierung und -ministerien Stakeholder aktiv einbezögen und das vorhandene Expertenwissen nutzten.
Unser Fazit: Ein Schritt in die richtige Richtung, aber nun müssen Taten folgen
Der Masterplan Ladeinfrastruktur II zeigt viele wichtige Stoßrichtungen auf, die den Aufbau von Ladeinfrastruktur und den Hochlauf der E-Mobilität in Deutschland stärken sollen. Entscheidend wird sein, welche konkreten Maßnahmen in Form von Förderungen oder Gesetzen den ambitionierten Ansätzen folgen, um diese auch zeitnah in die Praxis umzusetzen.
Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf in der Förderung der Ladeinfrastruktur? Welche Themen verdienen aus Ihrer Sicht mehr Aufmerksamkeit? Schreiben Sie uns gerne an !