Sind Wasserstoffautos bereits heute eine Alternative zu Verbrennern? Ist die Frage wirklich „Wasserstoffautos oder Elektroautos?“ Oder sind Autos mit Brennstoffzellen nur ein Teil der Zukunft? Über die Chancen von Wasserstoff-Fahrzeugen haben wir mit zwei Brennstoffzellen-Experten gesprochen, die uns an ihrer Expertise teilhaben lassen und die uns die Vor- und Nachteile von Brennstoffzellen-Fahrzeugen erörtern. Karl Lötsch von HZwo und Michael Otto von der SachsenNetze HS.HD GmbH.
Zusätzlich hat Carsten Wald, Abteilungsleiter Infrastruktur Service bei SachsenNetze, für uns den Test gewagt, wie gut ein Wasserstoffauto im Alltag funktioniert. Am Ende des Artikels berichtet er in einem Video von seinen Erfahrungen, wie gut seine Dienstreise, von Dresden nach Leipzig und zurück, geklappt hat und welche Vor- und Nachteile er bei Brennstoffzellenautos sieht.
Inhaltsverzeichnis
Wie funktioniert ein Wasserstoffauto?
Wasserstoffautos sind auch Elektroautos: Der Antrieb funktioniert bei beiden Alternativen gleich. Der Unterschied ist der Energiespeicher: Währenddessen Elektroautos in der Regel BEV’s, also batterieelektrische Fahrzeuge, meinen, wird die Energie beim H2-Auto in einer Brennstoffzelle in Form von reinem Wasserstoff gespeichert. Bei Kontakt des Wasserstoffs (chemisches Symbol „H“) mit dem Sauerstoff („O“) in der Brennstoffzelle reagieren die Elemente miteinander und es entsteht elektrische Energie für den Antrieb. Hervor bringt diese chemische Reaktion Wasser („H2O“), das völlig ungefährlich als „Abgas“ entweicht.
Welche Wasserstoffautos gibt es momentan?
Wenn Sie aktuell auf der Suche nach einem Wasserstoffauto sind, gibt es eigentlich nur zwei Modelle auf dem Markt: den Toyota Mirai und den Hyundai Nexo. Zusätzlich dazu existiert mit dem BMW iX5 HYDROGEN noch ein Konzeptfahrzeug, das noch nicht frei auf dem Markt erhältlich ist. Der Toyota Mirai ist seit 2020 sogar schon in der zweiten Auflage zu haben und besticht mit eleganterem Design, größerer Reichweite und günstigerem Preis als sein Vorgänger. Trotzdem muss man für ein neues Modell mit einer Reichweite von 650 km immer noch mit einem Preis von mindestens 65.990 Euro rechnen. Wenn wir die Entwicklung des E-Auto-Marktes als Vergleich nehmen, wird es also vermutlich noch einige Zeit dauern, bis es wirklich bezahlbare Wasserstoffautos bei uns auf dem Markt gibt. Aktuell gibt es für E-Autos sogar schon ein reges Angebot im Kleinwagen-Segment. So ist der empfehlenswerte FIAT 500E bereits ab knapp unter 24.000€ erhältlich. Positiv ist, dass bereits einige Wasserstoff-Tankstellen existieren, unter anderem auch in Dresden. Besonders, wenn Sie ohnehin eine Wasserstofftankstelle in Ihrer Nähe haben, lohnt es sich durchaus, ein Wasserstoffauto zu testen.
Worauf muss man beim Wasserstoff-Tanken achten?
Wichtig ist in jedem Fall, dass nicht jede Wasserstofftankstelle auch von jedem Fahrzeug benutzt werden kann. Die verschiedenen Wasserstofftankstellen unterscheiden sich durch ihre Druckstufe und ihre Kompressor-Größe, da Nutzfahrzeuge hier andere technische Voraussetzungen benötigen als Wasserstoffautos. Nutzfahrzeuge benötigen eine Druckstufe von 350 bar und nehmen bis zu 16 kg Wasserstoff auf, während normale Wasserstoffautos eine Druckstufe von 700 bar erfordern und bis zu 6 kg Wasserstoff aufnehmen können. Ladesäulen für E-Autos findet man inzwischen fast überall in Deutschland. Wegen der deutlich geringeren Abdeckung durch Wasserstofftankstellen ist eine Planung der gewünschten Fahrtroute, inklusive etwaiger Tankstopps, für Wasserstoffautos aber nach wie vor essenziell.
Was sind die Vor- und Nachteile von Wasserstoffautos?
Um diese Frage zu beantworten, haben wir den Praxistest gewagt: Carsten Wald von der SachsenNetze HS.HD GmbH ist mit einem Toyota Mirai die Strecke von Dresden nach Leipzig hin- und zurückgefahren. Sein Eindruck: „Der Fahreindruck ist genauso wie bei einem normalen Elektroauto.“ Außer ein paar leisen Geräuschen unterscheidet sich der Eindruck nicht wesentlich. „Das Fahrverhalten ist nicht auf Sportlichkeit ausgelegt. Man merkt, dass die Ingenieure einen hohen Wert auf Sparsamkeit legen.“ Laut Herrn Wald liege das auch daran, dass Wasserstoff aktuell noch ein wertvoller Rohstoff sei. Der aktuelle Kilopreis liegt bei ungefähr 14 Euro, bei guter Fahrweise kommt man damit ungefähr 100 Kilometer weit. Damit ist das Fahren aktuell noch teurer als mit einem Benziner.
Carsten Wald sieht den Vorteil von Wasserstoff u.a. beim einfachen Transport. Wasserstoff könnte in Zukunft für den globalen Weltmarkt kostengünstiger hergestellt und leicht transportiert werden. Zudem sind Brennstoffzellenautos lokal emissionsfrei und können in nur wenigen Minuten getankt werden – eine echte Zeitersparnis im Vergleich zu Batterie-Fahrzeugen. Zudem kann die bei der Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff entstehende Wärme direkt zur Erwärmung oder Kühlung der Fahrgastzelle genutzt werden, sodass keine wertvolle Antriebsenergie dafür genutzt werden muss.
Nachteile sind laut Herrn Wald derzeit noch die hohen Anschaffungskosten sowie die geringe Tankstellendichte. Zudem ist der Wirkungsgrad bei Wasserstoffautos schlechter. In Zukunft wird es zudem wichtiger, dass der Wasserstoff auch sauber hergestellt wird. Da das Element in reiner Form nicht in der Natur vorliegt, muss es produziert werden. Das verbraucht Energie und geschieht aktuell fast immer ohne regenerativen Strom.
Auf einen Blick
Vorteile Wasserstoffauto
- Fahrgefühl gleicht dem eines E-Autos
- Sehr sparsam
- Gute Lösung für den einfachen Transport
- Lokal emissionsfrei
- Betankung erfolgt binnen weniger Minuten
- Die entstehende Wärme (bei der Reaktion von Sauerstoff und Wasserstoff) kann direkt zur Erwärmung oder Kühlung der Fahrgastzelle genutzt werden
- Großes Potential für die Luft- und Schifffahrt sowie für Busse und LKWs
Nachteile Wasserstoffauto
- Wasserstoff ist kein natürlich vorkommender Rohstoff
- Herstellung momentan noch ohne regenerative Energie
- Anschaffungskosten sind immer noch sehr hoch
- Kaum Ladeinfrastruktur für Wasserstoff-Fahrzeuge vorhanden
- Der Kilopreis Wasserstoff ist noch sehr hoch, sodass die Ausgaben für die Betankung die eines Verbrenners noch übersteigen
Sind Wasserstoffautos die Zukunft
Aber ist es wirklich entscheidend, ob ein Auto etwas mehr oder weniger Wirkungsgrad hat? Oder wie sauber der Energiespeicher ist? Auch batterieelektrische Autos sind keine „Saubermänner“. Das in den Batterien benötigte Kobalt beispielsweise gibt es nur im Kongo. Der Umgang mit Menschenrechten in diesem Land kann nicht immer gewährleistet werden. Auch Lithium ist nicht zu 100 % sauber zu gewinnen. Karl Lötsch vom Innovationscluster „HZwo“ von der Technischen Universität Chemnitz mahnt deshalb, die beiden alternativen Antriebe nicht gegeneinander auszuspielen: „Beim Atom- und Kohleausstieg wurde doch auch nicht über Photovoltaik ODER Windenergie diskutiert.“ Er macht deutlich, dass alle Technologien, die dabei helfen können, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, ihre Bedeutung haben, wenn wir die Klimaziele erreichen und nicht bis 2030 warten wollen. „Wasserstoff- bzw. Brennstoffzellenautos stehen heute dort in der wirtschaftlichen Entwicklung, wo BEV’s 2013 standen.“ Seitdem ist bei batterieelektrischen Autos viel geschehen. Auch der Bund erkennt diese Chance und fördert grünen Wasserstoff, der aus Wasser und Strom aus erneuerbaren Energien CO2-frei hergestellt wird, in den kommenden Jahren mit 10 Mrd. Euro. Damit sollen Investitionen in die Forschung der Dekarbonisierung von Industrieanlagen, der Aufbau von internationalen Partnerschaften sowie insbesondere der Markthochlauf von Wasserstofftechnologien (mit ca. 7 Mrd. Euro) gefördert werden. Die EU will die europaweite Wasserstoffproduktion bis 2024 auf eine Mio. Tonnen anheben und so Wasserstoff durch Skaleneffekt auch günstiger gestalten.
Warum finden wasserstoffbetriebene Fahrzeuge nur geringen Absatz?
Bisher werden in Deutschland kaum wasserstoffbetriebene Fahrzeuge abgesetzt oder für die Massenproduktion hergestellt. Woran liegt das aber hauptsächlich? Bereits erwähnt wurde die mehr als spärlich vorhandene Wasserstoff-Ladeinfrastruktur. In ganz Deutschland gab es Anfang 2023 gerade einmal 105 Tankstellen, die Wasserstoffbetankung rund um die Uhr gewährleisten. Das bedeutet, wenn man nicht gerade in der Nähe einer solchen Tankstellen lebt oder arbeitet, kommt ein wasserstoffbetriebenes Fahrzeug wohl kaum in Frage.
Doch auch die Politik spielt hier eine maßgebliche Rolle, weiß Michael Otto, Mitarbeiter der SachsenNetze HS.HD GmbH in Dresden. Er sagt, dass die Politik besonders auf Hybrid-Fahrzeuge und reine Elektrofahrzeuge zur Erreichung der vorgeschriebenen Emissionsziele setze. Die letzten Jahre wurde in den Ausbau des Ladeinfrastrukturnetzes für Elektromobilität investiert, die Installation privater Ladepunkte bezuschusst und der Umweltbonus bei Anschaffung eines Elektrofahrzeugs oder Hybriden erhöht. Dagegen haben wasserstoffbetriebene Fahrzeuge keine Chance. Durch die staatlichen Förderungen ist es nur logisch, dass mehr Elektrofahrzeuge und Hybride produziert werden. Es gibt mittlerweile über 260 rein elektrisch betriebene Fahrzeugmodelle, von denen immer mehr auch für den kleineren Geldbeutel geeignet sind.
Auf einem Kongress der electrive.net, an dem auch Michael Otto teilgenommen hat, wurde ebenfalls erwähnt, dass sich auf Ebene der PKWs die Batterie gegen die Brennstoffzelle durchsetzen werde. Das kann unter anderem daran liegen, dass Brennstoffzellen-Flaggschiffe, wie der Toyota Mirai immer noch einen Listenpreis von 65.990 Euro aufwärts haben. Dagegen gibt es im elektrisch betriebenen Sektor deutlich günstigere Modelle.
Natürlich ist der große Absatz an Elektrofahrzeugen, die Klimaziele betreffend, ein großer Fortschritt, weiß Michael Otto. Bislang werden aber vor allem von asiatischen Herstellern, vor allem Toyota, wasserstoffbetriebene Fahrzeuge hergestellt. Und die haben, wie bereits erwähnt, immer noch einen sehr stolzen Preis.
Welche Branchen würden am meisten vom Wasserstoffantrieb profitieren?
Für Privatpersonen, die im Schnitt pro Tag 40 bis 60 Kilometer bewältigen, und am Abend genügend Zeit haben, das Elektrofahrzeug wieder aufzuladen, ist die im Vergleich zum Verbrenner immer noch eingeschränkte Reichweite von E-Autos völlig ausreichend.
Wie sieht es aber mit Lastenfahrzeugen aus, die mehrere hundert Kilometer am Tag zurücklegen müssen, wie LKWs oder Busse? An dieser Stelle wird die Ladedauer bei momentan durchschnittlichen E-Fahrzeugen definitiv zu einem Problem. Hier könnten in Zukunft Brennstoffzellen-Fahrzeuge tatsächlich die Lösung sein, genauso im Flug- oder Schiffverkehr. Denn rein batteriebetrieben, müssten diese Fahrzeuge eine enorme Batterie besitzen, die bis dato viel zu schwer wäre. Bis 2035, möchte Airbus beispielsweise ein komplett klimaneutrales Flugzeug dank Wasserstoff in Betrieb nehmen. Auch Unternehmen im Lastwagen-Bereich, wie beispielsweise Schenker, haben große Ziele für die Zukunft. Bis 2030 sollen über 100.000 LKWs mit Wasserstoffantrieb auf den Straßen unterwegs sein.
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Aktueller Forschungsstand
Im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasser- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) sollen ab 2021 jährlich 80 Millionen Euro für die Entwicklung neuer Technologie zur Verfügung stehen. Zur Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie sollen bis 2024 nochmals 1,6 Milliarden Euro investiert werden. Zusätzlich wird bereits an einem Förderprogramm in Höhe von 1,16 Milliarden Euro gearbeitet, dass LKWs und Nutzfahrzeugen mit Wasserstoffantrieb zugutekommen soll.
Doch der Weg zu einem komplett klimafreundlichen Wasserstoffantrieb bedarf noch intensiverer Forschung. Nicht nur, um beim Thema Nachhaltigkeit mit Elektrofahrzeugen mitzuhalten, sondern auch beim Preis. Denn wie bereits erwähnt, sind Brennstoffzellen-Fahrzeuge im privaten Nutzsegment sehr teuer.
„Die asiatischen Hersteller wollen allerdings bis 2025 Mittelklassefahrzeuge mit Wasserstoff für Preise zwischen 25.000 und 30.000 Euro anbieten“, erklärt der Brennstoffzellenexperte Karl Lötsch. Doch die Forschung und der technologische Fortschritt lohnen sich nicht nur für den Endverbraucher.
Brennstoffzellenautos sind beispielsweise auch eine große Chance für Sachsen. So Karl Lötsch weiter: „Wir haben hier die wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kompetenzen. Ziel muss es sein, dass Wasserstoffautos oder zumindest wesentliche Teile aus Sachsen kommen.“ Es gäbe derzeit nur drei wesentliche Entwicklungsstandorte für Brennstoffzellen in Deutschland und das ist neben Baden-Württemberg und Bayern unser Bundesland. Auch die bereits vorhandenen Wasserstoff-Pipelines der Chemieindustrie könnten dem Standort zugutekommen.
Wasserstoffautos oder Elektroautos – Unser Fazit
Alle befragten Experten, Carsten Wald von SachsenNetze, Karl Lötsch von HZwo und Michael Otto von der SachsenNetze HS.HD GmbH sind sich einig: Im Wasserstoff und in Brennstoffzellenautos liegen unausgeschöpfte Möglichkeiten. Wasserstoffautos können neben batterieelektrischen Fahrzeugen ein wichtiger Baustein für die Dekarbonisierung und die Verkehrswende sein. Ein weiteres Argument: Da Industrie, wie die Stahlindustrie, ohne Wasserstoff gar nicht „grün“ werden können, wird Wasserstoff zwangsweise in Zukunft in sehr großen Mengen hergestellt werden müssen. „Im Vergleich ist der Bedarf des Individualverkehrs gering“, so Experte Herr Lötsch. Autos ohne eine nachhaltige Stahlindustrie herzustellen, ließe sich zudem nur schwer vorstellen.
Derzeit lohnt sich der Umstieg durch die hohen Fahrzeugpreise aber noch nicht für jedermann: Energieversorger sind hier Pioniere, um die laufenden Kosten von Brennstoffzellenautos für ihre Fuhrparks zu untersuchen. „Schon heute kann ich mir Wasserstoffautos sehr gut bei Mobilitätsdienstleistern wie Taxiunternehmen vorstellen“, erklärt Herr Wald. Insbesondere in urbanen Großräumen wie München oder Hamburg sei die Tankstellendichte bereits sehr gut und eine Fahrt mit einem Wasserstoffauto ist sowieso genauso bequem wie mit einem Verbrenner. Erste Berichte bestätigen Herr Wald dabei bereits, schließlich kamen Anfang 2023 die ersten Nachrichten auf, dass Wasserstoffautos als Taxis eingesetzt werden.
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